Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt 5 Kapitel 2 Neues Leben 23 Kapitel 3 Der Eindringling kehrt zurück 39 Kapitel 4 Der Sturm 53 Kapitel 5 Wachstum 69 Kapitel 6 Zur Reife gebracht 83 Kapitel 7 Der Tag der Ernte 95
Kapitel 1 Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt Die Augen von Gärtner Immanuel1 schweiften in die Ferne. Im Osten erblickte er einen Strom, der sich in vier Arme teilte. Dort hatte er sich vor langer Zeit niedergelassen und lebte in Eintracht mit der gesamten Schöpfung. Doch eines Tages gelang es dem diabolischen Eindringling Samen des Zweifels auszusäen, und der paradiesische Garten wurde rasch von einer bösartigen Krankheit befallen. Das Übel nahm seinen Lauf und griff im Nu auf den gesamten Garten über, und selbst Immanuel, der jede Pflanze, jeden Stein, ja jedes Stückchen Erde kannte, hatte für diesen Augenblick kein Mittel, um das Kranke zu heilen und das Schwache wieder aufzurichten. Er musste traurig mit ansehen, wie das Übel wie eine Lawine um sich griff. Aus dem Garten Wonne, wie Immanuel ihn nannte, war bald eine trostlose Wüste geworden. In die Traurigkeit von Gärtner Immanuel über all diese Ereignisse mischte sich gleichwohl eine starke Gewissheit, dass er sein Werk an einem anderen Ort auf neue Weise zur Vollendung bringen werde. Und so machte er sich hoffnungsvoll auf und zog fort in östlicher Richtung, den Erdboden von Neuem zu bebauen. Dieser Garten würde zwar nicht mehr so prachtvoll sein wie der erste. Bestenfalls würde er ein schwaches Abbild des Gartens Wonne sein. Wer aber offene Augen hatte, konnte überall die Wunder und die Herrlichkeit des ersten Gartens erkennen und erahnen, dass die Zukunft besser und herrlicher sein würde als die Gegenwart – besser und herrlicher als die Vergangenheit. 1 Gott mit uns
Der Eindringling hatte nur scheinbar einen Sieg davongetragen. Er wusste noch nicht, dass er mit diesem Sieg sein Ende schon besiegelt hatte. Aber es schien, als ob sich ihm diese Erkenntnis mit der Zeit immer mehr erschloss, und so versuchte er unablässig, auch dem neuen Garten Schaden und Zerstörung zu bringen. Gärtner Immanuel hatte seinem Garten im Tal der Entscheidung einen neuen Namen gegeben und hieß ihn fortan Garten Goel1. Denn obgleich alle seine Pflanzen von ihm selbst gepflanzt, gepflegt und am Leben erhalten wurden, waren sie noch immer anfällig für die Krankheiten, die der Eindringling brachte. Darüber hinaus konnten sie durch das Unkraut erstickt werden, das der Eindringling regelmäßig unter die Pflanzen streute. Und so begab es sich, dass jeder Tag eine Entscheidung bringen konnte, ob eine Pflanze Immanuels gedeihen oder vergehen sollte. Um seine Pflanzen vor den Angriffen des Eindringlings so gut wie möglich zu schützen, baute Gärtner Immanuel einen Zaun um seinen Garten. Dies konnte nicht alle Anläufe des Eindringlings unterbinden, Schaden anzurichten. Aber es war allemal ein gewisser Schutz, um größeres Unheil zu vermeiden. Solange Immanuel im Garten verweilte, traute sich der Eindringling ohnehin nicht einmal in seine Nähe. Er trieb sein übles Werk oft nur in der Dämmerung und mit Vorliebe in der Nacht. Anders als der Eindringling war Gärtner Immanuel kein Tyrann, der über seinen Garten mit harter Hand herrschte. Alles, was er verrichtete, tat er als Helfer, Diener und Beistand um allem, was er gepflanzt hatte, zu gesundem Wachstum und Frucht zu verhelfen. Mehr noch, Immanuel verrichtete sein Werk in einer wohltätigen Weise. Diese Art stand in völligem Gegensatz zu dem Wesen des Eindringlings. Der Eindringling war nur zu Trug und Zerstörung fähig. Gärtner Immanuels Sehnen in der Tiefe seines Herzens war es, alle seine Pflanzen unbeschadet ans 1 Erlöser
Ziel zu bringen. Die Blumen sollten blühen, das Gras sollte sprossen, die Bäume sollten ihre Frucht bringen, ein jeder Baum nach seiner Art und alles Kraut sollte Samen hervorbringen nach seiner Art. Wachsen, Gedeihen und die Schönheit der Frucht waren stets im Sinne Immanuels. Jede Pflanze, die Gärtner Immanuel unter seine Obhut nahm, strebte auf ihr Ziel zu, sich zu entwickeln und hervorzubringen, wofür sie geschaffen wurde. Damit aber war der Sinn ihrer Existenz bei weitem nicht erschöpft. Jede Pflanze sollte auf jene Herrlichkeit hinzielen, die sie im Garten Wonne verloren hatte. Und diese Herrlichkeit wies über jede einzelne Pflanze und ihr Dasein im Garten Goel im Tal der Entscheidung hinaus auf den, der sie geschaffen hatte. Immanuel lag jede einzelne Pflanze ebenso am Herzen wie dem Schöpfer aller Dinge. Denn die Schöpfung wies über sich hinaus und sollte ihren göttlichen Gestalter anbeten. Dieses tiefe Geheimnis offenbarte Gärtner Immanuel in allem, was er tat und sagte...